Osterbräuche in Nordschaumburg vor ca. 150 Jahren

Die nachfolgende Darstellung stammt von dem ehemaligen Rieher Dorfschullehrers Otto Lattwesen (1882 – 1950).

Die Rieher Kinder hatten in den letzten Tagen schon das Holz zum Osterfeuer zusammengetragen. Aus allen Kämpen war das aus den Hecken entfernte Dornengestrüpp herausgeholt. Auch „dat greote Holt“ musste Abfallholz liefern. Auf dem Lindenbrinke sollte es abgebrannt werden.
Früh morgens, längst vor Sonnenaufgang, war Engel schon mit einem Gefäß an die Beeke gegangen und hatte, nicht gegen, sondern mit dem Strome, dass für das ganze Jahr benötigte „Osterwasser“ geschöpft. Sie war froh, dass ihr niemand über den Weg gelaufen war. Zu Hause füllte sie das Wasser in Flaschen, verkorkte sie und stellte sie unter die strohgefüllte Bettstelle.
Engel bekam leicht bei jedem Luftzug und noch mehr durch den Dreschstaub gerötete Augen. Legte sie dann aber für eine Nacht einen mit Osterwasser getränkten Lappen darauf, so war am anderen Morgen alles wieder gut.

War am ersten Ostertag die Kirche aus und der Kaffee getrunken, zog die Rieher Jugend, schulpflichtige und schulentlassene, nach dem Anger. Dort wurde der Osterball geschlagen, der einfache deutsche Schlagball. Dabei hieß es damals auch schon laufen können.
Danach wurde das „Tint’n“ begonnen. In 40 Meter Abstand standen sich Jungen und Mädchen gegenüber. Zu dem Jungen gehörte das ihm zugewiesene Mädchen. Es war ja kein Zufall, dass zu Zinrk sein Feiikeling gehörte.
Hinrk Teatjen begann das Spiel. Eigentlich wussten schon alle, weches Paar er anrufen und an ihrer Vereinigung zu hindern versuchen würde. Weithin erklang seine Stimme:

„Eck tinte, ek tinte up Feiikeling Wiechmanns!“ Die stand aber mit Zinrk sprungbereit, und wie im Sturmwind laufen die beiden, scharf aufeinander achtend, über den Anger und wären zusammengekommen, auch wenn Hinrk Teatjens nicht ausgerutscht und zum großen Ergötzen aller Beteiligten der Länge nach hingefallen wäre. Da er das Zusammenkommen der beiden nicht hatte verhindern können, musste Hinrk wieder ein Paar herausfordern. Diesmal gelang es Hinrk, aber auch nur durch die Tücke des Schicksals. Engel Wilkening riß am roten Rock der Haken. Sie musste rasch mit den Händen zugreifen, um nicht aus dem Rock zu springen.
Es war um die Melkzeit, als die Mädchen miteinander eingehakt, singend ins Dorf zogen.
Die Jungen hatten unterdessen noch etwas Wichtiges zu erledigen. Da waren noch zwei Lehrlinge und drei Dienstjungen, die ihre Lehrlings- und Dienstjungenzeit zu Ostern beendet hatten. Sie mussten heute noch „gekrönt“ werden.
Die Jungen wussten das und ließen es ruhig geschehen, dass man ihnen ein Schlagholz zwischen die Beine schob und sie auf diesem Holz dreimal unter allseitigem „Hoch“ emporhob.
Der Schusterlehrling bezahlte ein Liter Schnaps, die anderen opferten eine Silbermark, nur Fritz Wilkening gab als Halbmeier einen Taler.
Die so Gekrönten erhielten nach Erledigung ihrer Pflichten nun auch Rechte. Sie durften nun nach ihrem Belieben im „Krau(e)“ bleiben, und kein Großknecht konnte sie nach Hause schicken. Sie durften jetzt öffentlich rauchen und sich eine kurze Pfeife anschaffen. In den Spinnstuben durften sie von jetzt ab mit den Großen nach dem abendlichen Tanz auf der Diele in die Stube eintreten. O ja, das Kröngeld war nicht umsonst gebracht!
Die Kinder waren die ersten auf dem Lindenbrinke und konnten heute kaum die Dunkelheit abwarten. Aber die Großen waren noch nicht da. Sie versammelten sich im „Krau(e)“ und kamen singend zum Dorfe heraus.
Da leuchtete an der Buchenallee das Nenndorfer Osterfeuer schon auf. Ach wie kümmerlich! Die sollten staunen!
Die „Gekrönten“ steckten das eigene Osterfeuer an. Die Flammen prasselten. Der Westwind trieb Qualm und Funken dem Dorfe zu.

Hell klang das Lied in das abendliche Dunkel: „Ist alles trübe, ist alles dunkel, dieweil mein Schatz ein’n andern liebt.“
Dann fiel das Feuer in sich zusammen und gab das Zeichen zur Rückkehr.

 

Quelle:
Schaumburger Heimatblätter 1952

 

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