Die geschichtliche Entwicklung von Riehe
"Special Beschreibung von der zu dem Amte
Rodenberg und der Grafschaft Schaumburg gehörige Dorfschaft Riehe:
Dieses Dorf lieget in einer Plaine und die Feldmark meistens in weitläufigen Cämpen mit
lebendigen Hecken und Huden umgeben. Von der Stadt Rodenberg 1 1/2 St., vom Dorfe
Waltringhausen und der Creutz-Riehe 1/4 St., vom Kirchdorf Groshen Nenndorff 1/2 Stunde
entfernt.
Die Feldmark zu diesem Dorfe gehörig grenzet gegen Morgen an die Flerrschaftliche Forst
der Schaumburgische Knick genannt, gegen Mittag gegen die Waltringhäusher Terminey, gegen
Abend an den Orth Kreutz-Riehe, und letztlich gegen Mitternacht an die Waldung das
Reddinger Bruch. Durch diese Dorfschaft gehet keine Land noch sonstige Nebenstraße,
außer wenn die benachbarten Einwohner der Dörfer Waltringhausen, Groshen Nenndorff,
Hellsinghausen und Creutz-Riehe diesen Ort pashiren wollen. Es ist dahier keine Kirche,
sondern die Einwohner dieses Orts sind nach der Dorfschaft Groshennenndorff zu der
daselbst befindlichen Evangelisch Lutherischen Mutter Kirche eingepfarrt."
Diese Beschreibung finden wir im Vorwort zum "Lager- Stück- und Steuerbuch der Dorfschaft Riehe Amts Rodenberg, verfertigt im Jahre 1783." Sie hat auch heute noch Gültigkeit mit den Ausnahmen, daß einmal die Rieher Feldmark nicht mehr durch Hecken unterteilt ist, jetzt an die der Orte Waltringhausen (im Osten und Süden), Bad Nenndorf (im Süden und Westen), Helsinghausen (im Westen und Norden) und Haste (Staatsforst in Norden) grenzt, und daß zum anderen durch Riehe eine Landstraße führt. Diese zweigt in Kreuzriehe von der B 442 ab, passiert Riehe und Waltringhausen und mündet bei Bad Nenndorf wieder in die B 442.
Seit 1974 ist Riehe ein Ortsteil der Gemeinde Suthfeld. Diese Gemeinde entstand 1974 im Rahmen der Gebietsreform und umfaßt außer Riehe noch die Ortsteile Kreuzriehe und Helsinghausen. Der Name stammt von der Gemarkung Suthfeld, die zentral zwischen den drei Ortsteilen liegt. Zur Zeit wohnen in der Gemeinde Suthfeld 1305 Einwohner. Die Anzahl der Häuser verteilen sich folgendermaßen: Riehe 102 Häuser, Helsinghausen 96 Häuser und Kreuzriehe 92 Häuser.
Es wird jedoch noch einer gewaltigen Anstrengung aller drei Ortsteile bedürfen, ehe diese zu einer Gemeinschaft zusammenschmelzen.
Nun aber zu der Entstehung des Dorfes Riehe.
Fragt man alte Rieher Bürger nach der Entstehung des Dorfes, so erfährt man,.daß Riehe
ursprünglich an einer anderen Stelle gelegen habe als heute, nämlich auf dem sogenannten
"Lindenbrink", einer kleinen Erhebung süd-westlich des heutigen Dorfes. Dort
sollen die ersten 5 Häuser gestanden haben, deren Besitzer diese aber verließen und sich
nörd-östlich des Lindenbrinks neu ansiedelten.
Man nimmt an, daß die Bewohner zu diesem Schritt veranlaßt wurden, weil sie - besonders in trockenen Zeiten - auf dem Lindenbrink nicht genügend Wasser für sich und ihre Tiere hatten, während die Gegend des heutigen Riehe über Wassermangel nicht zu klagen hatte.
Die Vermutung, daß die ersten Häuser Riehes auf dem Lindenbrink gelegen haben, wird dadurch bestärkt, daß dort schon Steine - man vermutet Grundsteine - ausgepflügt worden sind.
Auch in der "Faulen See", einer Flur nordöstlich von Riehe, wurden Steine ausgepflügt. Es wird angenommen, daß hier ein Fort von Rodenberg oder gar der Heisterburg bestanden habe.
Aber über beide Vermutungen läßt sich urkundlich nichts nachweisen. Auch sind keine Ausgrabungen durchgeführt worden. Ebenfalls kann nicht nachgewiesen werden, daß in der Gemarkung Riehe schon während der Sachsen- oder Frankenzeit oder noch früher Menschen gelebt haben. Fest steht lediglich, daß in der Gegend nördlich vom Deister und Bückeberg, also im Norden der Grafschaft Schaumburg, schon früh Menschen wohnten. Das geht aus Funden der jüngeren Steinzeit (u.a. in Ottensen, Rehren AR und Haste) und der Bronzezeit (bei Haste) hervor.
An die Besiedlung dieses Gebietes durch die Sachsen erinnert die Heisterburg im Deister bei Bad Nenndorf, in deren Mauern nach der Besiedlung dieses Gebietes durch die Franken eine neue Burg errichtet wurde. Auch das alte Gogericht an der Ramstede (Rabenstätte) bei Bad Nenndorf ist ein Zeuge dieser Zeit.
Heimatforscher nehmen an, daß verschiedene der heutigen Siedlungen in dieser Gegend schon bestanden, bevor sich die Sachsen (5. und 6. Jahrhundert n. Chr.) hier niederließen. Das Nord-Schaumburger Gebiet, bedeckt vom Dühlwald, wurde damals vom Helweg, der alten Völkerstraße vom Rhein zur Elbe durchzogen. Man vermutet daß sich Siedlungen wie Nenndorf, Riepen, Horsten, Ohndorf und Algesdorf vom Helweg aus in den Dühlwald vorgeschoben haben.
Als dann die Sachsen Nordschaumburg besetzten, sollen weitere Dörfer an günstigen Stellen entstanden sein, z.B. Waltringhausen, Helsinghausen (Dörfer, die auf -hausen oder -sen enden) und ihrer Lage nach auch Riehe, Hohnhorst und Rehren.
Während Waltringhausen schon 1055 - 1080 als Weltringehusen, 1171 als Waltrinkehusen,
1213 als Waltherynhusen, 1225 - 1228 als Waltherighusen erwähnt wird und schon 1454 zum
Amt Rodenberg gehört, wird Helsinghausen 1289 als Helcinghusen und 1505 als
Heylsingehusen angeführt. Von Riehe aber schweigen die Urkunden, ebenso von Kreuzriehe
und Haste. Kreuzriehe wird 1691 (Rodenberger Zehntlagerbuch) noch als Flurname gebraucht.
1696 heißen so einige Häuser. Auch der Name Haste wird 1691 nur als Flurname unter
Hohnhorst geführt; es sollen dort 3 Höfe und 3 Häuser "auff der Hast"
gestanden haben.
Bei diesen beiden Dörfern steht fest, daß sie als Dörfer erst nach 1691 entstanden
sind.
Schwieriger ist diese Feststellung bei Riehe. Riehe muß aber um einiges älter sein als Kreuzriehe und Haste, da seine Feldmark wesentlich größer ist, als die dieser beiden Gemeinden. Das bedeutet: als Kreuzriehe und Haste gegründet wurden, waren die meisten Fluren schon verteilt. (Haste hat nur deshalb heute eine große Fläche, weil der Forst zu einem großen Teil in die Haster Gemarkung einbezogen wurde.)
Nach dem "Rodenberger Grenzbuch und Besaht-Register" von 1615 werden als zum Amt Rodenberg gehörig außer Rodenberg selbst 22 Dörfer aufgeführt. Hier folgt nach Waltringhausen "Auff der Riede".(Auf der Riede oder auf der Riehe bezeichnet einen kleinen Wasserlauf und das von ihm bewässerte Land und ist als Flurname anzusehen; altsächsisch ridh, angelsächsisch ridh, niederdeutsch Bachname).
Unter der "Landt-Folge" werden für Waltringhausen 3 Meyer,
3 Halbmeyer, 1 Höveker, 8 Halbe Hövekers, 30 Straßensitzer, 11 Junkern Leutt und 6
Zubauers aufgezählt. Somit gehören zu Waltringhausen 62 Feuerstellen, deren Besitzer
namentlich genannt werden. Bei zwei Namen finden sich die Zusätze: "auf der
Waltringhäusher Riehe" und "in der Riehe". Diese beiden Zusätze deuten
darauf hin, daß beide Leute nicht direkt im Dorf Waltringhausen wohnten, sondern in einer
zu Waltringhausen gehörenden Flur.
Es bestand also 1615 noch kein eigenes Gemeinwesen Riehe, vielmehr war Riehe damals ein Ortsteil von Waltringhausen.
1747 werden die Feuerstellen von Waltringhausen und Riehe zum erstenmal getrennt aufgeführt. Im "Stadt- und Dorfbuch des Ober- und Niederförtstertums Hessen" steht Waltringhausen mit 43 und Riehe mit 35 Feuerstellen verzeichnet. Diese Anzahl bleibt für Riehe bis 1783 konstant (34 Häuser und 1 Gutshof). Zusammen waren es jetzt also 78 Feuerstellen. Hieraus geht eindeutig hervor, daß die Zahl von 62 Feuerstellen im Jahre 1615 nicht für das eigentliche Dorf Waltringhausen allein gelten kann.
Aus dem Lager-, Stück- und Steuerbuch von Riehe geht hervor, daß es in Riehe
ursprünglich nur 24 Häuser gab, den Gutshof nicht mitgerechnet, also insgesamt 25
Häuser. Man kann also annehmen, daß die Häuser
Nr. 25 bis 34 erst nach dem Ende des 30-jährigen Krieges und sogar erst zwischen 1691 und
1747 gebaut wurden, da sich die Zahl der Häuser von Waltringhausen und Riehe von 1615 bis
1691 nicht vergrößert hat.
Einen Gutshof dürfte es 1615 in Riehe noch nicht gegeben haben, sonst wäre er sicherlich im Rodenberger Grenzbuch von 1615 erwähnt worden. Zu dieser Zeit muß das Gut noch ein Halbmeierhof gewesen sein.
Nach der Lage der ersten 25 Häuser zueinander zu urteilen, kann man annehmen, daß
zuerst 7 Häuser gestanden haben (Nr. 1 bis 6 und der "Halbmeierhof"). Später
durften jeweils in verschiedenen Zeitabschnitten die Häuser Nr. 7 bis 15, Nr. 16 bis 19
und Nr. 20 bis 24 entstanden sein. Untermauert wird diese Vermutung durch folgende
Tatsachen:
Außer dem "Halbmeierhof" waren die Häuser Nr. 1 bis 6 Höfe (Nr. 1 ein
herrschaftlicher Halbmeierhof, Nr. 2 bis 5 herrschaftliche Kötner und Nr. 6 ein
herrschaftlicher Junkernkötner), während die Häuser Nr. 7 bis 24 Brinksitzerstellen
waren. Diese Brinksitzerstellen sollen im ganzen Kreis aber erst nach 1500 entstanden
sein, während die Meier- und Kötnerhöfe - sie unterlagen dem meierstättischen Recht
und durften nicht verkauft werden - zum Teil viel früher entstanden sind, das heißt: Vor
1500 bestand Riehe aus 7 Gehöften (Waltringhausen zum Vergleich aus 14.)
Da sich die Rieher Feldmark nach Westen, Norden und Nordwesten ausbreitet, muß man annehmen, daß Riehe von Waltringhäuser Bauernsöhnen in Form von Aussiedlerhöfen gegründet wurde. Diese Vermutung wird dadurch untermauert, da die Hudekämpe, der sogenannte Pfingstanger, von Waltringhäuser sowie von Rieher Bauern gemeinsam genutzt wurde. Man kann zu dem Schluß kommen, Riehe hat es schon immer gegeben, es waren nur Waltringhäuser, die "auff der Riehe" wohnten. Bemerkenswert ist auch, daß die Rieher Kinder bis 1911in Waltringhausen zur Schule gingen.
Die Entstehung der ersten Rieher Häuser hat sich wahrscheinlich im 13. Jahrhundert vollzogen da zu dieser Zeit bekanntlicherweise große Teile des Dühlwaldes gerodet wurden und auch die Hagenhufendörfer entstanden, wie z.B. Auhagen.
Von der Entstehung des Dorfes Riehe nun zu der Entwicklung nach 1776 und zwar:
a) Die Rieher Flur
b) Einwohnerzahl und Anzahl der Häuser
c) Wasserversorgung
d) Der Gutshof in Riehe
e) Die Entwicklung der Landwirtschaft und Bauernhöfe
f) Die Berufsstruktur.
a) Die Gemarkung von Riehe umfaßte 1779 genau 670 1/16Acker und 1 7/8 Ruten. Das sind
159,81 ha. (Kassler Maß: 1 Acker = 150 Ruten,
1 Rute (kurhessische [kassler] Quadrat-Ruthe) = 15,91 qm. Zu dieser Zeit teilte man den
Pfingstanger zwischen den beiden Gemeinden Waltringhausen und Riehe auf. In Riehe erhielt
der Gutshof 1,87 ha, der Hof Nr. 1 0,39 ha, 11 Höfe je 0,13 ha und 22 Brinksitzer je 0,07
ha. Nun betrug die Flächengröße der Rieher Flur 171,02 ha.
Bei der Verkoppelung im Jahr 1876 wurden die Parzellen der einzelnen Besitzer zusammengelegt, neue Wege geschaffen und Grenzkorrekturen zu den Nachbargemeinden vorgenommen. Als Abfindung für die Forsthude erhielten die Rieher Bauern von dem Haster Forst insgesamt 25,83 ha. 1921 wurden nochmals große Teile des Haster Forstes abgeholzt. Jede Haushaltung, die noch kein eigenes Land besaß, konnte 2 Morgen (0,5 ha) Siedlungsland erwerben. Hiermit vergrösserte sich die Flur von Riehe auf 237,20 ha. An dieser Größe hat sich bis heute nichts geändert.
b) Während bekannt ist, daß von 1747 bis 1812 in Riehe 35 Häuser standen, wird 1795 das erste mal über 220 Einwohher berichtet. Die Bevölkerung vermehrte sich (aber nicht kontinuierlich) bis 1939 auf 361 Personen. Im gleichen Zeitraum nahm die Zahl der Häuser, die in verschiedenen Bauperioden errichtet wurden, auf insgesamt 64 Stück zu. An dieser Stelle sei zu der Entwicklung nur gesagt, daß die 22 Häuser, die von 1871 bis 1933 gebaut wurden, alle Ein- bis Zweifamilien-Siedlungshäuser sind, die in der Hauptsache von Arbeitern, meistens Bergleuten, gebaut wurden. Diese Häuser entstanden fast alle unter großen persönlichen Opfern und einem unermüdlichen Arbeitseinsatz. Jeder hatte etwas eigenes oder gepachtetes Land und hielt sich einige Ziegen und Schweine, um sich möglichst selbst versorgen zu können. Daneben gingen die Männer aber nicht nur täglich zu Fuß zur Antoniezeche nach Bantorf, sondern arbeiteten auch noch als Tagelöhner bei den Bauern; wie auch die Frauen dort unermüdlich halfen. Der unbedingte Wille, Eigentum an Haus und Land zu erwerben, ließ diese Leute die körperlichen Strapazen ertragen. In den beiden Weltkriegen opferten 43 Rieher Bürger als Soldaten ihr Leben. Nach Kriegsende im Jahr 1946 wohnten in Riehe genau 696 Personen. Das sind 93 % mehr Menschen als 1939. Bis 1961 verließen von den 363 Flüchtlingen und Evakuierten 288 Riehe wieder, während 75 Menschen hier eine neue Heimat fanden.
c) Wie aus dem Lagerbuch von 1783 zu erfahren ist, war die Wasserversorgung durch zwei
Bäche und drei Dorfbrunnen gesichert. Der Radbach entsprang im nördlichsten Teil des
Deisters (Schaumburgische Knick), trieb zwei Wassermühlen (Piepmühle und Waltringhäuser
Mühle), floß durch Riehe und die Flur "Faule See" und mündete bei Kolenfeld
in die Südaue. Der Ammerbach, der sich aus einigen stark fließenden Brunnen aus Bad
Nenndorf (Brunnenstraße/Bornstraße) bildete, floß in Riehe in den Radbach. Beide Bäche
speisten in Riehe die Pferdeteiche und die Röstekuhlen für die Flachsbereitung (heute
Sportplatzgelände). Amtlich heißt der Bach "Das Rad", ist aber im Rieher
Volksmund nur unter "Holzbache" bekannt. Die Holzbache war sehr wasserreich und
führte häufig in Riehe zu Überschwemmungen.
Als nun 1857 mit den Abteutarbeiten des Antonieschachtes in Bantorf begonnen wurde,
führte der Radbach plötzlich wesentlich weniger Wasser. Das führte dazu, daß die
beiden Wassermühlen ihren Betrieb einstellen mußten und in Riehe in trockenen
Jahreszeiten großer Wassermangel herrschte. Hinzu kam noch, daß das Wasser des
Ammerbaches zum Teil umgeleitet wurde. In extrem trockenen Sommern versiegten demzufolge
die meisten Brunnen, weil Riehe auf einer etwa 10 m starken wasserundurchlässigen
Tonschicht liegt. Nun mußte das lebensnotwendige Wasser in Jauchefässern von dem
Gemeindebrunnen geholt werden. Als 1960 Riehe an das Wasserleitungsnetz des
Allernverbandes angeschlossen wurde, war die Wasserversorgung wieder sichergestellt.
d) Zwischen 1615 und 1646 erhielt der Oberförster Otto Clott als Geschenk für treue Dienste vom Grafen von Schaumburg einen steuerfreien Halbmeierhof und 46 Morgen Wald. Die Nachkommen des Försters wurden geadelt und hießen fortan Clodeon. Eine Linie bewirtschaftete ein freies Gut in Rehren A/0. Um 1750 wurde das Gut in Riehe an den Comissarius Gottlieb Hieronymus Werner Heusinger von Waldegge verkauft, der zuvor eine Witwe von Clodeon und Besitzerin des Gutes in Rehren A/0 geheiratet hatte. 1798 wurde das Gut dem ältesten Sohn aus 2. Ehe zugesprochen, der im selben Jahr heiratete, den Hof stark verschuldete und starb. Da sich kein Käufer für den gesamten Besitz fand, konnten die Bauern und Brinksitzer von Riehe zugreifen und ihre Ländereien vergrößern. In diesem Zusammenhang entstand in der damaligen Gutsregion der neue Bauernhof Nr. 35. Die letzten sichtbaren Zeugen waren zwei Sandsteinpfeiler des ehemaligen Eingangstores mit der Inschrift: H. v, W. (Heusinger von Waldegge) und PH. CH. C4 (Philippine Charlotte Clodeon).
e) Es ist bereits gesagt worden, daß es in Riehe 1615 7 Bauernhöfe und 18 Brinksitzer
gegeben hatte. Im Jahre 1783 aber waren es
1 Gutshof, 12 Bauernhöfe und 22 Brinksitzer. Von den Brinksitzern, die ursprünglich nur
ihr Haus und etwas Land besessen hatten und als Tagelöhner oder Handwerker waren, hatten
bis 1783 6 ihren Besitz so vermehrt, daß sie Bauern geworden waren,
"Ackermänner" genannt. Es waren dies die Häuser Nr. 7, 10, 19, 23, 30 und 31 .
Die übrigen Brinksitzer hatten alle mehr als 2 Morgen eigenes Land und hielten sich
Kleinvieh, Schweine und wenigstens eine Kuh.
Zu den 12 Bauernhöfen gehörten in der Rieher Gemarkung 67,27 ha eigenes Land, das sich nach den Eigentumsverhältnissen in 3 Gruppen aufteilte:
1. Hufenland (dieses Land besaßen nur die Höfe 1 - 6), welches auf Grund der "Hufen-Edikte" und der "Schaumburgischen Meyer-Ordnung" nicht verkauft werden durfte.
2. Rottland, das nach erteiltem "Consens", d.h. Genehmigung von der Hochfürstlichen Kriegs- und Domänenkammer zu Kassel verkauft oder auch als Brautschatz mitgegeben werden durfte.
3. Erbländereien, "So an die Kirche zu Großen Nenndorff zinspflichtig sind", die nur nach erhaltenem "Consens" des Pfarrers veräußert werden durften.
Die Bauern hatten das Recht, Pferde und Kühe auf verschiedene Huden und ihre Schweine zur Mast in die herrschaftlichen Waldungen (Bückethaler Knick und Reddinger Bruch) und in das Rieper Holz zu treiben. Die Zahl des Großviehs belief sich auf 24 Pferde (Nr. 1 vier, Nr. 3 und 23 je eins, die übrigen 9 Bauern je zwei) und 43 Kühe (jedes Haus hatte eine Kuh, die Bauern nicht mehr als zwei).
Die Äcker der Bauern wurden nicht mehr in einer 3-FelderWirtschaft bestellt, sondern in einer 6-Felder-Wirtschaft. Die Folge war in der Regel:
1. Jahr Roggen oder Korn (Hafer), 2. Jahr Gerste,
3. Jahr Stoppelroggen, 4. Jahr Bohnen oder Wicken,
5. Jahr Soorengerste, 6. Jahr Brache.
Die Hauptlast der Abgaben des Dorfes lag bei den Bauern. Insgesamt mußte die Gemeinde
pro Jahr 95 Reichsthaler, 30 Mariengroschen und 4 Heller Geldzins und folgende
Naturabgaben leisten: ca. 11 Zentner Roggen, ca. 12 Zentner Gerste, ca. 9,5 Zentner Hafer,
41 Rauchhühner, 24 Zinshühner und 520 Stück Eier.
Diese Abgaben mußten zur Renterei Rodenberg, nach Gut Enzen, Barsinghausen, Sachsenhagen,
Großen Nenndorf, Eimbeckhausen, der Landwehr, Waltringhausen und nach Stadthagen
geleistet werden.
Zu diesen Abgaben kam noch der Naturalzehnte, der jeweils von verschiedenen Ländereien von der Renterei in Rodenberg, dem Kloster Barsinghausen und dem Herr von Mengersen zu Hess.-Oldendorf gezogen wurde. Sonderabgaben waren auch noch an den Pfarrer und Küster zu Großen Nenndorf zu entrichten.
Neben diesen Verpflichtungen hatten die Bewohner aber noch Hand- und Spanndienste zu leisten.
Obwohl der Boden in Riehe von guter Qualität ist, ließ er damals nur Erträge von 4 bis 8 Zentnern pro Morgen zu.
Nach den Wirren des Dreißigjährigen Krieges erlebte das Bauerntum bereits einen
Aufschwung. Dieser wiederholte sich noch verstärkt nach der Bauernbefreiung von 1835
1842. Nach der Entrichtung einer Ablösesumme (z.B. der Halbmeierhof Nr. 1, 700
Reichsthaler) waren die Bauern von den Abgabeleistungen befreit. Im Laufe der Zeit haben
sich Infolge von Mitgiften der Bräute oder auch Erwerb von Grundbesitz einige
Brinksitzerstellen zu Bauernhöfen entwickelt. So zählte man nach der Verkoppelung in
Riehe 19 Bauern. Der Rest bestand aus Nebenerwerbsstellen, Kleinbetrieben und
Kleinstbetrieben. Jeder Bauer hatte Tagelöhner, die ihm bei den Feld- und Erntearbeiten
halfen. Als Gegenleistung wurden von den Bauern u.a. die Felder beackert. Mit dem
technischen Fortschritt hat sich dieses Bild gewaltig geändert, da viele mühevolle
Arbeiten von Maschinen übernommen wurden. Wenn man bedenkt, daß 1936 in Riehe noch 21
Pferde gehalten wurden, so werden sie heute in der Landwirtschaft nicht mehr benötigt.
Hinzu kommt die chemische Behandlung der Äcker und die Verbesserung des Pflanzengutes.
Zur Zeit wird die Rieher Flur von 5 Landwirten und
6 Nebenerwerbsstellen bearbeitet, und ein Ertrag von 30 Zentnern Weizen pro Morgen ist
keine Seltenheit mehr.
f) Im Bezug auf die Berufsstruktur ist folgendes zu berichten:
Neben den 13 rein landwirtschaftlichen Betrieben gab es 1783 in Riehe
7 Familien, die in diesen Betrieben ihren Erwerb fanden, und zwar
5 Tagelöhner und 2 Hirten. Dieser Gruppe standen u.a. 6 selbständige Handwerker (davon 2
Leineweber) und 2 Gewerbetreibende (1Wirt und
1 Händler) gegenüber. Für diese Zeit kann man im Blick auf die Erwerbstätigkeit sagen,
daß Riehe überwiegend ein Bauerndorf war.
Dieses Übergewicht bestand jedoch schon 1850 nicht mehr, obwohl sich die Zahl der Landwirte auf 17 und die der Tagelöhner auf 7 erhöht hatte. In Riehe gab es jetzt 17 selbständige Handwerker (davon 10 Leineweber mit 4 Gesellen) und 2 Gewerbetreibende.
Zu dieser Zeit aber tat sich in Bantorf eine neue Erwerbsquelle auf: das Bergwerk. Darum ist es nicht verwunderlich daß die Bergleute 1910 das Bild von Riehe beherrschten. 33 Männer arbeiteten in Bantorf vor Ort.
Damit aber war die bisherige Struktur des Dorfes, wo ein Gleichgewicht zwischen Landwirten und Handwerkern bestanden hatte, verlorengegangen,
Auch die Zahl der selbständigen Handwerker hatte sich auf 4 vermindert, während die Zahl der selbständigen Gewerbetreibenden unverändert geblieben war. Außer den Bergleuten waren jetzt noch zwei neue Berufsgruppen aufgetaucht: Beschäftigte der Eisenbahn und des Baugewerbes.
Daß sich die Berufsstruktur bis heute noch einmal wesentlich änderte, lag zu einem großen Teil an der Stillegung der Bergwerke Bantorf und Barsinghausen.
Heute herrscht in Riehe ein sehr buntes Berufsbild, und die Arbeitsplätze sind an den verschiedensten Orten.
Man kann also sagen, daß sich Riehe aus einem reinen Bauerndorf (nach der Gründung) über ein Bauern-und Handwerkerdorf und ein Bauern- und Arbeiterdorf zu einem Dorf mit den verschiedensten Berufen - umgeben von fruchtbaren Äckern - entwickelt hat.
Wie immer man auch dieses Dorf sehen mag, wie immer auch die Zusammensetzung der Bürger sein mag, alles wird belanglos, wenn sich hier Menschen zusammenfinden, die nicht die Nase über die Arbeit des Nachbarn rümpfen, sondern ihn als Mensch sehen, mit dem man gern spricht, dem man gern hilft und mit dem man Feste feiert.
Dies scheint in Riehe in heute seltener Weise der Fall zu sein, so daß der Gang durch die Vergangenheit mit dem Wunsch für die Zukunft abschließen möchte, daß die Dorfgemeinschaft in Riehe auch weiterhin so erhalten bleiben möge.
Bearbeitet anläßlich des 80-jährigen Jubiläums des
Verein "GLÜCKAUF RIEHE" am 5., 6. und 7. Mai 1979
Gez. Wilhelm Schröder