„Warum hat der Müller das fetteste
Vieh?“
Zahlreiche Besucher informieren sich
bei Pumpenfete von „Glück-Auf Riehe“ und Ausstellung „Mühlen und Krüge“
Was macht das Pferd
im Krug und warum hat der Müller das fetteste Vieh? Antworten auf diese
Fragen haben bei der Pumpenfete des Vereins „Glück-Auf-Riehe“ für
Gesprächsthemen und gute Laune gesorgt.
Bad Nenndorf.
Die traditionelle Pumpenfete des Vereins „Glück-Auf-Riehe“ ist auch im 20.
Jahr auf große Resonanz gestoßen. Interessierte aus Riehe, Waltringhausen,
Haste und Bad Nenndorf versammelten sich auf dem gemütlichen Festgelände „An
der Pumpe“ zwischen Riehe und Waltringhausen. Bei der Aufarbeitung der
Dorfgeschichte gehen dem „Arbeitskreis Heimatgeschichte“ nicht die Ideen
aus. Das diesjährige Thema der Ausstellung lautete „Mühlen und Krüge“.
Der Begriff „Krug“ sei nicht abgeleitet von dem Gefäß, sondern von „Kragen“
im Sinne von Kehle, erklärte der Vorsitzende Ralf Schröder den Bezug zur
Entwicklung der Gaststätten. Zu sehen gab es Dokumente und Bilder. Zudem
berichteten Zeitzeugen wie der letzte Müller, Hans Erdmann, von den
Strukturveränderungen im Dorf. „Das letzte Korn haben wir 1998 gemahlen.
Damit waren wir weit und breit die letzten“, so Erdmann.
Ein Blickfang auf den Stellwänden war das Bild von einem Pferd in der
Kneipe. „In Riehe stand kein Pferd auf dem Flur, sondern am Tresen“,
amüsierten sich einige Besucher. Wann das war? „Ende der Siebziger Jahre,
der Tapete nach zu urteilen“, lachte Schröder. Für Amüsement sorgte zudem
die amtliche Liste der „vorgeschriebenen Körpermaße für flüssige
Gegenstände“. Sprich: Ein Fass Bier musste 390 Liter Bier enthalten. Eine
weitere Erkenntnis aus der Ausstellung: „Übers Ohr gehauen wurde man zu
jeder Zeit“, wie das „Lexikon der Betrügereien aller Stände“ im 18.
Jahrhundert verriet.
Der letzte Müller bestätigte, dass bis in die Dreißiger Jahre in Naturalien
bezahlt wurde. Als Lohn („Matte“) durften die Müller jeweils den sechzehnten
Teil des gelieferten Korns behalten. Was nicht selten für Streit zwischen
Bauern und Müllern geführt habe, sagte Schröder. „Die Bauern vermuteten,
dass sich der Müller etwas mehr abzweigte, als ihm zustand, was an seinem
eigenen fetteren Vieh zu sehen war.“
Unter „Wirte betrügen“ wurde in vergangenen Jahrhunderten zudem über die
Vorschriften für örtliche Alkohollieferanten aufgeklärt. In Riehe gab es
seit 1700 einen „Krüger“ namens Tatge. Später auch Bremer und Lübke. Die
Dorfkrüge des Amtes Rodenberg mussten das Rodenberger Kinkeldey-Bier
abnehmen. Selbst zu brauen, war strengstens verboten. Bier hatte damals
einen Alkoholanteil von einem Promille und diente – im Gegensatz zu Wasser –
als keimfreies Grundnahrungsmittel.
Die Wasserpumpe war schon früher ein Treffpunkt für die Landbevölkerung.
Weniger zum Feiern als lästige Pflicht. Alle mussten dort ihr Wasser holen.
Da hieß es Schlange stehen: „Erst kamen die Bauern dran und zum Schluss die
armen Leute“, erinnerten sich einige Zeitzeugen. Sie waren sich mit
Bürgermeister Horst Schlüter einig: „Riehe hatte immer mit dem Wasser zu
knapsen.“ Erst 1963 ist die erste Wasserleitung entstanden.
Bei der Pumpenfete war für Getränke und Speisen gesorgt: Bei keimfreiem Bier
und Wasser blieb kaum ein Platz frei. Regengüsse taten der Stimmung keinen
Abbruch. Dank der guten Vorbereitung des Vereins „Glück-Auf Riehe“ fanden
alle unter den Sonnenschirmen Schutz. tes
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Der Vorsitzende
von „Glück-Auf-Riehe“ Ralf Schröder beantwortet die Fragen der zahlreichen
Besucher.
Bürgermeister vermutet „Schatz“ hinter seiner Tapete
Der
Arbeitskreis Heimatgeschichte hat im Staatsarchiv Marburg recherchiert und
ist auf einen Antrag aus dem Jahr 1749 aufmerksam geworden. Die armen Leute
in Riehe und Waltringhausen versuchten damals, am Radbach zwischen den Orten
eine Wassermühle zu errichten. 18 Einwohner erbaten beim „durchlauchigsten
Fürsten als unterthänigste, treue, gehorsamste Bürger“ die vorgeschriebene
Genehmigung.
Es bestand Mühlenzwang. Das heißt: „Alle waren „bei ernstlicher und
willkürlicher Strafe“ angehalten, ihr Korn ausschließlich auf den
herrschaftlichen Mühlen mahlen zu lassen“, erklärte Ralf Schröder. „Sie
mussten ihr Korn bis nach Rodenberg schleppen, Wagen hatten sie nicht“.
Weiterer Schwerpunkt der Ausstellung: Die Entwicklung der Gaststätte vom
Nebengewerbe am heimischen Herdfeuer in einem Raum mit Familie und Tieren
zum anerkannten Gewerbezweig. Die Familie Hattendorf hat nach einem Brand in
1906 die Gaststätte auf der gegenüberliegenden Straßenseite wieder aufgebaut
– und vermutlich den ersten Tresen errichtet. Der Beginn einer neuen Art von
Geselligkeit in Riehe. Vereine, wie „Glück-Auf-Riehe“, nutzten die
Gaststätten als Versammlungsort. „Fratz“ Hattendorf baute 1930 den ersten
Tanzsaal, neue Feste entstanden.
Bürgermeister Horst Schlüter lebt in dem geschichtsträchtigen
Vier-Generationenhaus und hat hinter seiner Tapete einen versteckten
historischen „Schatz“ entdeckt: voraussichtlich ein Bild von der
abgebrannten „Brinksitzerstelle Nr. 10“. Jetzt will er die Tapete abwaschen
„und sehen, was übrig ist“.
Das Ergebnis kommt mit in die neue Ausgabe der „Rieher Heimatblätter“, für
die der Arbeitskreis noch weitere Fotos und Dokumente sucht. Eine
lobenswerte Arbeit, betonte der Bürgermeister. „Dies könnte auch ein Anreiz
für Andere sein, Konrad Meier bei der Recherche in Helsinghausen zu
unterstützen“, appelliert Schlüter an die Bürger. Zum 777-jährigen Bestehen
von Helsinghausen soll eine Broschüre zusammengestellt werden. tes
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